Der Anatom
Manch Leute, grade frisch verstorben,
werden noch, eh sie verdorben,
gerichtlich angeordnet untersucht.
Sie sind dann meistens kühl gelagert,
stumm, starr, steif, oft abgemagert
und mit weißem Tuch betucht.
Man wird sie nun auf blanken Bahren,
in geflieste Räume fahren,
die sie sicher nie begehrten.
Dort wartet dann der Anatom,
nebenberuflich Gastronom,
um die Reste zu verwerten.
Der Kadaver wird zerlegt,
Arm und Beine abgesägt,
Brust und Schinken tiefgefroren.
Was führte denn zum Tod des Toten?
Kann man ihm noch was verknoten?
Hat er Dreck in seinen Ohren?
Ist das Herz am rechten Fleck?
Wandert grad ´ne Niere weg?
Sieht man sonst noch was rektal?
Die Analyse dauert lange.
Dem Anatom wird langsam bange,
will er doch in sein Lokal.
Denn dort gibt es heute Zunge,
Haschee von einer Raucherlunge
und Keulen liegen auf den Kohlen.
Auch Gulasch sowie Frikassee,
Herzragout und Milzsouflet
kann man sich da holen.
Jetzt ist es dunkel, also Nacht.
Wird wohl jemand umgebracht
und landet, na, man ahnt es schon
auf dem Tisch des Anatomen
in dessen Brust zwei Herzen wohnen,
ist er doch auch Gastronom.
(RG0031-020704)
und hier auch noch zum Hören für die Öhren: